Lokalmatadoren fahren aufs Podest
Frickenhausen. Rund 400 Sportfahrer lieferten sich am Wochenende auf dem Vereinsgelände des MSC Frickenhausen packende Kopf-an-Kopf-Kämpfe. Es galt, in mehreren Klassen den Sieger eines vierstündigen Endurorennens zu finden. Es war die 21. Auflage des Rennens unter dem Hohenneuffen. Von Rüdiger Ott.
Die hüfthohen Felsblöcke sind der Knackpunkt. Das war vergangenes Jahr so, und das ist auch in diesem Jahr nicht anders. Wer nicht ganz so technisch versiert ist, kann mit seinem Geländemotorrad nur mühsam die Steinbrocken erklimmen, und wer Pech hat, verkanntet sich oben angekommen in den Spalten. Wenn dann jemand von hinten drückt, der meint, schneller zu sein und genau dort überholen zu können, ist der Stau perfekt.
Knifflige Schlüsselstellen gab es am vergangenen Wochenende viele beim Endurorennen im Rahmen des ADAC Pirelli Enduro Cups. Zum 21. Mal hatte der Club aus Frickenhausen auf sein Vereinsgelände an der Alten Ziegelei geladen. Und rund 400 Fahrer wollten sich der Herausforderung stellen und traten an, um sich bei dem vier Stunden dauernden Wettkampf miteinander zu messen. Auf verschiedene Klassen verteilt gingen sie am Samstag und am Sonntag an den Start. Und wer ohne Teampartner anreiste, um während des Rennens die vorgeschriebenen Fahrerwechsel vorzunehmen, nahm die Strecke eben alleine unter die Stollenreifen. Dann aber nur in einem Zweistundenrennen.
Das beginnt mit Maultaschen, zumindest für Jose Luis Perea. Der 23-jährige aus Mexiko hat noch nie Maultaschen gegessen. Wie denn auch, er war ja auch noch nie in Deutschland. "Ich war in der vergangenen Woche bei Beta in Italien, um die Modelle für 2016 zu testen", sagt der Redakteur, der für ein Motorradmagazin schreibt und in seiner Heimat auch in der nationalen Meisterschaft antritt. Beim Testen hat er Frank Schroeder kennengelernt, der früher die Maschinen nach Deutschland importiert hat und inzwischen bei Beta für den Export in alle Welt verantwortlich ist. Manchmal passt die Chemie, "und da haben wir ihn adoptiert", sagt Schroeder. Das Resultat: Ein Start in Frickenhausen samt Werksmaschine, später noch ein Besuch in Berlin und vielleicht auch noch ein Abstecher zur Tour de France.
Den spart sich Marianne Trost. Die Frau mit den weißen Haaren, akkurat gekleidet mit Schal um den Hals und Handtasche um die Schulter, sitzt auf einer Bank im Schatten eines Baumes und schaut von außen zu, während die Fahrer bei sommerlichen Temperaturen schwitzend um jede Sekunde kämpfen. "Jedes Jahr freut man sich darauf", sagt die Frickenhäuserin. "Ich habe Kinder, die hier fahren", sagt sie. Die sind inzwischen 51, 48 und 45 Jahre alt. Und auch die Enkel "haben das im Blut", sagt sie. Die sind auch schon 25, 22, 20 und 18. "Das hier ist das schönste Gelände, das es für Endurofahrer gibt", sagt sie und spricht aus Erfahrung. "Beim MSC macht man auch viel für die Jugend, und dort bekommen dann die Kleinsten auch Sicherheit für die Straße."
Die Frickenhausener Enduristen haben in diesem Jahr den Kurs in großen Teilen neu gesteckt. Durch den Wald ging es schon immer, vom Ziegeleigelände am Ortsrand den Hang empor bis zu einer Streuobstwiese und dann wieder hinunter, in Richtung Schlammloch. Aber nun ist es eben winkeliger, statt mit Vollgas geradeaus geht es in einem fast endlosen Geschlängel um Bäume und über Wurzeln, immer wieder hoch und runter, und immer wieder auch über Wellen, Absätze, Steine und Felskanten. Das ist genau das, was Enduro vom Motocross unterscheidet. Letzeres macht sich gut im Fernsehen, die unfassbar langen Sprünge der Fahrer begeistern das Publikum. Technisch anspruchsvoller - und auch langsamer - ist hingegen ein Geländeausdauerrennen. Da dauert eine Runde auch schon mal zehn Minuten.
An die Stoppuhr ist Simone Häutle längst gewohnt. Sie sitzt im Fahrerlager auf einer Decke, der Nachwuchs mit Schnuller im Mund lehnt an ihrem Schenkel. Im Sommer steht sie praktisch jedes Wochenende an irgendeiner Strecke. "Wir sind aus dem Allgäu und mit so zehn Leuten hier", sagt sie. Ihr Sohn, er ist 16 Jahre alt, fährt gerade bei den Junioren. Ihr Ehemann ist derweil in Rumänien am Start, bei der Romaniacs, die unter Szenekennern als unfassbar schweres, mehrtägiges Endurorennen gilt. "Ich war da schon so oft, da wollte ich nicht wieder hin", sagt Häutle. Lieber ist sie nach Frickenhausen gekommen, für einen Eintagesausflug mit Freundinnen, deren Männer ebenfalls am Gasgriff drehen.
Da weiß Martin Gneiting noch nicht, dass er heute viel zu tun haben wird. Gneiting ist Ausbilder beim Deutschen Roten Kreuz und neben dem Bereitschaftsleiter Christoph Wohlfahrt einer von 13 Helfern, die die Fahrer im Falle eines Unfalls direkt an der Strecke versorgen. "Wir bereiten und intensiv auf dieses Wochenende vor", sagt er. Vor anderthalb Wochen waren die Rotkreuzler schon einmal auf dem Vereinsgelände, um zu üben. Mit dabei waren auch zwei Fahrer des MSC, die sich in voller Montur in den Staub legten. "Wir haben an ihnen das Abnehmen des Helmes geübt und das Abtransportieren", sagt Gneiting.
Seit elf, zwölf Jahren ist er schon dabei, und schwere Unfälle habe es schon lange nicht mehr gegeben, sagt er. Meistens behandelt er blaue Flecken oder ein verstauchtes Handgelenk. Da kommt über Funk der Notruf, am Ziel habe sich jemand verletzt. Gneiting schultert seinen Notfallrucksack und läuft los. Es ist eben jener Knackpunkt mit den hüfthohen Felsen, der an diesem Tag vielen Sportlern zu schaffen macht. Schon kurze Zeit später trifft es einen weiteren Fahrer, der dort stürzt und sich verletzt. Vorsorglich werden beide mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gefahren.
Markus Erb, der Vorsitzende des MSC Frickenhausen, kann Entwarnung geben. "Es waren bloß Rippenprellungen. Es geht ihnen gut", sagt er. "Das war eine optimale Erstversorgung." Wie die Zuschauer am Streckenrand freute er sich über spannende Rennen und Positionswechsel bis zur letzten Runde. "Wir haben auch viel Lob von den Teilnehmern bekommen", sagt der Clubchef. "Das war in diesem Jahr eine tolle und fahrbare Strecke, und wir hatten beste Bedingungen."
Manche fahren aber auch einfach angstlos, wahlweise auch einfach nur richtig gut. Aber auf jeden Fall schnell. Zu denen gehörte der in der Deutschen Meisterschaft antretende Pascal Springmann, der mit seinem Teamgefährten Pascal Engel auf den ersten Platz bei den Experten fuhr. Die Lokalmatadoren schlugen sich ebenfalls beachtlich. Die Jugendwertung konnten Mike Kunzelmann und Lukas Pfeifer für sich entscheiden. Sven Kümmel und Rouven Stingl belegten in der Aufsteigerklasse Platz 3. Das Vater-Sohn-Gespann Andreas und Timo Samuel schaffte es auf Platz 13. Und bei den Senioren rollten Frank Deuschle und Uli Frey ebenfalls auf Platz 13 durchs Ziel.